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Interviews machen bei vielen Stipendien die finale Auswahlrunde aus. Das heißt, wer es bis hierhin geschafft hat, steht in der engeren Auswahl und ist nur noch einen letzten Schritt vom erhofften Stipendium entfernt, nachdem mit der Erstellung der Bewerbungsunterlagen und Gutachten lange und hart auf diesen Punkt hingearbeitet worden ist.

Um es vorweg zu nehmen: Eine Musterlösung, wie man einen herausragenden Eindruck in allen Interviews hinterlässt, gibt es leider nicht. Zu sehr unterscheiden sich die Auswahlprozesse und die Interviewformate in den Stipendien. Allerdings sind die meisten Stiftungen sehr transparent, was ihren Auswahlprozess betrifft, so dass oft klar ist, wie das finale Auswahlverfahren aussehen wird und was die Bewerber erwartet. Letztlich kann das Format der Gespräche in persönlichen Auswahlrunden aber nahezu immer in drei Kategorien einsortiert werden:

Mehrere Einzelinterviews mit Mitgliedern der Auswahlkommissionen über jeweils 30 bis 45 Minuten
Vorsprechen vor einer mehrköpfigen Kommission, deren Mitglieder abwechselnd einzelne Fragen stellen über eine Gesamtdauer von ca. 10 bis 15 Minuten
Gruppendiskussionen und Referate mit anderen Stipendiaten, bei denen ein Mitglied der Auswahlkommission als stiller Beobachter agiert

Die Fragen, die den Bewerber erwarten, lassen sich im Detail nicht erahnen, weshalb es keine Universallösung gibt, wie gute Interviews aussehen. Praktisch immer gilt aber, dass der Bewerber mit einem breiten Fragenmix zu seinem Fachwissen, seinem Allgemeinwissen, seiner außercurricularen Tätigkeit, seinen Ansichten zum Zeitgeschehen der Gegenwart (vor allem Politik, Wirtschaft und gesellschaftliche Entwicklungen bzw. Probleme), seiner interkulturellen Erfahrung sowie seiner Studienplanung rechnen muss. Die Fragen sind dabei fast immer direkt sowie unmissverständlich und klar formuliert, d.h. die Mitglieder der Auswahlkommission spielen keine "Tricks" oder "Spiele" mit ihren Bewerbern, sondern stellen ernsthafte Fragen. In einigen wenigen Fällen können auch Brainteaser vorkommen, dies ist aber unüblich und würde wenn überhaupt nur in einem Einzelinterview Platz finden.

Für eine grundsätzliche Vorbereitung auf Interviews aller Art dürften sich folgende Regeln als nützlich erweisen:

"Know your CV" - Der eigene, ausführliche Lebenslauf muss bombenfest im Gedächtnis sitzen, tiefergehende Fragen hierzu sind in jedem Fall zu erwarten
Sich nicht selber widersprechen, wer sein Studienvorhaben völlig anders darstellt, als er es im Motivationsschreiben getan hat, verliert Glaubwürdigkeit
Niemals den Schauspieler spielen und sich verstellen, die Mitglieder der Auswahlkommission sind meist hochintelligente und sehr erfahrene Menschen, die Tricks schnell erkennen
Die eigene Meinung kritisch mit Argumenten verteidigen, wenn das Studienvorhaben oder eine bestimmte Antwort kritisiert wird, nicht sofort einknicken und aufgeben
Keine Romane erzählen, genau auf die Frage achten, zielgerichtet, kurz und bündig antworten und genau auf die Frage eingehen anstatt ungezielt zu schwafeln
Auf Körperhaltung und Stimme achten: Aufrecht sitzen, Hände auf den Tisch, Blick geradeaus in die Augen des Gesprächspartners, mit voller Stimme sprechen

   Einzelinterviews

Je höher dotiert und desto bedeutender das Stipendium ist, desto wahrscheinlich ist es, dass Einzelinterviews auf den Bewerber zukommen. Interviews sind am zeitintensivsten und teuersten, geben aber den besten Einblick in die Persönlichkeit des Kandidaten. Gespräche dieser Art dauern meist zwischen 30 und 45 Minuten. Sie beginnen mit einer kurzen gegenseitigen Vorstellung, die dann gefolgt wird von einer Reihe von Fragen zum Fachwissen sowie Allgemeinwissen des Kandidaten sowie seinem Werdegang im Leben und seiner zukünftigen Planung. Sehr häufig treffen Bewerber, falls mehrere Einzelinterviews angesetzt werden, auf Personen der eigenen Fachrichtung sowie fremder Fachrichtungen. Entsprechend ist der Gesprächsverlauf thematisch oft unterschiedlich gelagert. Kennzeichnend für Interviews ist, dass die Fragen nicht lose aufeinanderfolgen, sondern sich der Bewerber mit dem Interviewführer meist um drei oder vier größere Themenblöcke in der zur Verfügung stehenden Zeit unterhält und dabei eine Reihe von Fragen beantwortet, die in Bezug zum Diskussionsthema stehen. Beispielsweise könnte das Thema Spekulation auf den Tisch kommen, in dessen Rahmen Fragen gestellt werden, die bei historischen Ereignissen zum Thema beginnen, über heutige gesellschaftliche und politische Implikationen sowie Aufsichtsrecht bis hin zu mathematischen Methoden der Derivatebewertung und der Kritik an entsprechenden Methoden reichen. Das Beispiel soll bewusst veranschaulichen, dass Fragen fachlich wie auch allgemein sehr tiefgreifend sein können und oft dazu dienen, zu ertasten, wie weit das Wissen des Bewerbers reicht. Daher ist es wichtig, ab einem gewissen Punkt offen einzugestehen, wenn man eine Antwort nicht weiß anstatt blind zu raten. Die Alternative wäre hingegen die Formulierung einer Theorie, was die Antwort sein könnte, wenn der Bewerber hierzu mehrere Fakten hat, die seine Theorie stützen.

   Vorsprechen vor einer Auswahlkommission

Im Fall von Gruppeninterviews werden ein einzelner und mehrere Bewerber gleichzeitig vor eine mehrköpfige, zusammensitzende Auswahlkommission gesetzt, die in den meisten Fällen zwischen drei bis acht Personen umfasst. Dem Bewerber (sowie seinen Mitstreitern, wenn diese gemeinsam interviewt werden) werden wie in den Einzelinterviews Fragen aus den verschiedensten Bereichen gestellt. Im Unterschied zu Einzelinterviews sind die Fragen meist nur lose oder gar nicht verbunden, da verschieden Mitglieder der Auswahlkommission nacheinander ihre Fragen stellen, so dass der Bewerber gegebenenfalls schnell verschiedenen Themen hin- und herspringen wird. Gruppeninterviews sind die schnelle und preiswerte Variante eines Auswahlverfahrens, sie dauern oft nur 10 bis 15 Minuten und dem Bewerber bleibt damit nur sehr wenig Zeit, einen guten Eindruck zu hinterlassen und von sich zu überzeugen. Während alle oben genannten allgemeinen Tipps für Interviews uneingeschränkt gelten, muss hier besonders betont werden, dass der Bewerber klare und kurze Antworten geben muss, da er es sich aufgrund des eng gesteckten Zeitrahmens nicht leisten kann, die Zeit der Auswahlkommission mit endlosen Monologen zu vergeuden.

   Gruppendiskussionen

Gruppendiskussionen werden bei aufwändigeren Auswahlverfahren eingesetzt und entsprechen dahingehend einem Assessment Center, dass sie möglichst vielseitig Eindrücke über das Sozial-, Team- und Kommunikationsverhalten der Bewerber geben sollen. Eine beliebte Variante ist, dass alle Bewerber nacheinander einen Vortrag halten und mit ihrem Team über das Thema diskutieren, ehe der nächste Bewerber seinen Vortrag hält. Welche Beurteilungskriterien am Ende herangezogen werden, lässt sich nur vermuten, jedoch sind nachfolgende Tipps zu eine guten Auftreten in dieser Form des Auswahlverfahrens sehr empfehlenswert:

Als Vortragsredner und Moderator der Diskussion: Ein interessantes Vortragsthema auswählen, das ansprechend ist und keine bestimmten Spezialistenkenntnisse erfordert, jedoch eine kontroverse Diskussion verspricht
Vor Beginn des Vortrags kurz erläutern, worum es geht und wie der Vortrag gegliedert ist
Ebenfalls zu Beginn klarstellen, ob Fragen während oder erst nach dem Vortrag erwünscht sind
Langsam, klar und betont mit wechselnder Stimmmodulation sprechen
Handouts für den Vortrag vorbereiten, soweit diese wirklich hilfreich, anschaulich und gut gegliedert sind
Im Anschluss an den Vortrag eine These oder Frage zur Diskussion stellen und im Anschluss das Gespräch moderieren
Augenkontakt zum Publikum halten
Exakt an das gesetzte Zeitlimit halten bzw. leicht drunter bleiben - Bei Zeitüberschreitungen gilt praktisch immer eine Null-Toleranz Grenze verbunden mit Punktabzug

Als Diskussionsmitglied: Sich selber regelmäßig einbringen, andere jedoch nicht dominieren und andere aussprechen lassen
Nicht nur stets die eigenen Gedanken benennen sondern die Gedanken anderer Diskussionsteilnehmer aufgreifen, sie logisch verbinden und den Gedankengang fortsetzen
Ruhig und betont sprechen, angemessene Körperhaltung und -Sprache zeigen, den Gesprächspartnern ins Gesicht blicken
[Optional für alle, die sich damit wohl fühlen] - In Einzelfällen kurz moderierend in den Gesprächsverlauf eingreifen, wenn die Gruppe vom eigentlichen Thema abkommt

Die schwierigste Aufgabe in der Gruppendiskussion ist es, zwischen den vielen hier genannten Facetten eine gesunde Balance zu zeigen und zu demonstrieren, dass man die jeweiligen Aspekte der Gesprächsführung beherrscht. Zusammen mit einem eigenen ansprechenden Thema garantiert dies noch keinen Erfolg, jedoch dürften diese Ratschläge gut befolgt die Basis darstellen, einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

Abschließend ist anzumerken, dass das hier geschilderte Gruppendiskussionsformat eines der am häufigsten vorkommenden in der Praxis ist, Stipendiaten je nach Stiftung und Programm aber ganz andere Formate erleben können, die wir hier nicht alle abdecken können. Es liegt entsprechend in der Verantwortung des Bewerbers, selber zu recherchieren, was von ihm erwartet wird und zu prüfen, welche der hier genannten Ratschläge er für abweichende Gesprächsformate sinnvoll übernehmen kann.

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