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Stipendien
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Erfahrungsbericht zum Auswahlverfahren der Studienstiftung des deutschen Volkes
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An dieser Stelle möchte ich für interessierte Personen einen Erfahrungsbericht über mein Auswahlverfahren bei der Studienstiftung des deutschen Volkes hinterlegen. Vorab: Dieser Bericht beruht auf meiner persönlichen Meinung und subjektiven Eindrücken.
Jedes Jahr werden mehrere Tausend vielseitig interessierte und begabte Menschen zu einem Auswahlverfahren bei der Studienstiftung eingeladen. Entsprechend der damit verbundenen Neugier, was auf jemanden dort zukommt, gibt es im Internet bereits viele Erfahrungsberichte. Die Seite http://stusti.patrick-bernau.de/ sollte hier in jedem Fall genannt werden, da sie ein vielbesuchtes Forum bietet und wertvolle Infos liefert.
Gerade da jedes Auswahlverfahren eigentlich ein sehr individuelles Erlebnis ist, wie ich finde, schadet ein weiterer Erfahrungsbericht im Internet sicher nicht. Ich habe damals alle Erfahrungsberichte mit großem Interesse gelesen und jeder zeigte neue Facetten. Somit mag dieser vielleicht auch jemandem weiterhelfen.
Ich habe im November 2009 an einem Auswahlseminar der Studienstiftung teilgenommen und hatte das große Glück aufgenommen zu werden. Die Chancen darauf habe ich mir vorher wie viele auch als verschwindend gering ausgemalt, obwohl ich eigentlich kein großer Pessimist bin. Dennoch, die Fakten über die Studienstiftung erwecken doch Aufmerksamkeit:
- Die Studienstiftung des deutschen Volkes ist das größte und älteste Begabtenförderwerk in Deutschland.
- Sie genießt in Deutschland wie aber auch im Ausland ein sehr hohes Ansehen.
- Sie fördert aktuell ca. 9.500 Stipendiaten in Deutschland (Stand September 2008).
- Mit Blick auf 2 Millionen Studenten in Deutschland macht das eine Quote von nur 0,5% aus.
Für meinen Teil zumindest sorgte allerdings schon die berüchtigte "0,5% Quote" von der mir auch andere Stipendiaten erzählen (zwei meiner Freunde sind ebenfalls Stipendiaten der Studienstiftung) zumindest doch für etwas Respekt - und das man das Thema nicht leichtfertig angehen soll.
Dennoch möchte ich gerne vorweg schieben, dass dieser Erfahrungsbericht nicht das Ziel hat, angehenden Bewerbern Informationen zu liefern, um gezielt das Auswahlverfahren besser bestehen zu können - das ist faktisch nicht möglich, wie mein Bericht an einigen Stellen zeigen wird, da die Auswahl für jeden ein völlig individuelles Erlebnis darstellt wie ich glaube. Dagegen soll er einfach eine Impression über das Auswahlverfahren - eine Momentaufnahme ohne besondere Wertung - darstellen.
Ich hatte damals bereits meine Bankausbildung hervorragend abgeschlossen und mir zum Ziel gesetzt, möglichst gut in meinem anstehenden Studium abzuschneiden. Insgesamt gelang mir dies mit akzeptablem Erfolg und als ich mich im zweiten Semester befand, begann ich mich für Stipendien zu interessieren. Wie gesagt war ich durch zwei Freunde etwas vorgeprägt in dieser Hinsicht und wusste zumindest, dass es die Studienstiftung des deutschen Volkes e.V. und noch einige weitere Begabtenförderwerke gab. Ich habe mich damals mit Professor Bernd Jörs von der Hochschule Darmstadt zu dem Thema unterhalten, der an meiner Hochschule einige Kurse gab. Ich fragte bei ihm nach, was er zum Thema Stipendien wüsste und was die Anforderungen sind. "Eine Empfehlung durch ein gutes Referenzschreiben" war die klare Antwort - verbunden mit einer Aussage, die viel wichtiger war: Er bot mir an, sollte ich ein Schreiben brauchen, würde er mir sofort eines ausstellen. Abgesehen von dem damit verbundenen Vertrauen in die Person was einen an sich schon erfreuen sollte, war das natürlich meine wichtige Eintrittskarte, um überhaupt am Bewerbungsverfahren der Studienstiftung teilzunehmen.
Das Vorschlagsschreiben von Prof. Jörs ging im Mai 2009 raus und wenig später kam auch die Antwort - zwei Wochen später erhielt ich Unterlagen für den Bewerbungsprozess. An der Stelle möchte ich kurz darauf hinweisen, dass es kein "hartes" Kriterium von der Studienstiftung ist, unter den besten 5% seines Jahrgangs zu sein wie manchmal behauptet wird. Wer vorgeschlagen wird, nimmt automatisch am Bewerbungsprozess teil, das galt auch für mich, der "nur" unter den besten 10% rangierte (was sicher gut ist, Deutschlandweit betrachtet aber immer noch sehr sehr viele Studenten ausmacht).
Zu einer ordnungsgemäßen Bearbeitung der Unterlagen gehört vor allem, dass man sich Gedanken macht, was man eigentlich schreibt. Ich habe zwar Eingangs geschrieben, dass man sich auf das Auswahlseminar an sich nicht vorbereiten kann, sehr wohl sollte man sich aber Gedanken über seine Bewerbungsunterlagen machen. Im folgenden skizziere ich die schriftliche Bewerbung.
Gefordert sind die Beantwortung einiger Fragen zur eigenen Person sowie, was viel mehr Gewicht einnimmt, ein ausführlicher Lebenslauf zur eigenen Person. Folgende Punkte sollten jedem Bewerber klar sein:
1. Eure Unterlagen sind eine Momentbetrachtung eurer Persönlichkeit und eurer Interessen. Nutzt diese Chance intelligent aus und schreibt darüber, was euren Charakter fest und individuell umreißt und was euch wirklich geprägt hat. Antworten wie "Ich gehe gerne Schwimmen" haben zwar am Rande ihren Platz, dürfen aber nicht den Hauptinhalt eurer Unterlagen ausmachen. Die Studienstiftung erhält jährlich Tausende Vorschläge - ausnahmslos von Personen, die engagiert und keinesfalls dumm sind - stellt euch die Frage, warum gerade ihr besonders interessant seit und was euch besonders auszeichnet.
2. Die Antworten auf die Fragen in den standardisierten Bewerbungsunterlagen solltet ihr stets bei der Verfassung eures persönlichen Lebenslaufs im Hinterkopf haben. Der Fragebogen muss schon die wichtigsten Punkte beeinhalten, wir reden hier also über Dinge, die in eurem Leben wirklich Bedeutung hatten. Wenn jetzt im Lebenslauf keiner dieser Punkte aufgegriffen wird und der ganze Text völlig isoliert erscheint, wird das in jedem Fall merkwürdig wirken. Noch schlimmer wäre es, wenn sich Angaben im Bewerbungsbogen und im Lebenslauf widersprechen. Achtet also auf Konsistenz und Logik dessen was ihr über euch schreibt.
3. Schreibt in euren Lebenslauf soviel wie nötig und so wenig wie möglich. Ein guter Lebenslauf entfaltet einerseits Teile eurer Persönlichkeit und Abschnitte aus eurem Leben, auf der anderen Seite sollte er logisch aufgebaut sowie vor allem knackig und bündig sein. Mein Lebenslauf hatte ein Deckblatt und 4 DIN-A4 Seiten Computertext (Calibri, Schriftgröße 12) und ich hatte wie ich meine recht viel zu erzählen, da ich in jungen Jahren ein - sagen wir - bewegtes Leben hatte. Daher denke ich, dass ca. 1.600 Worte (so lang war mein Text) sicher schon hart an der Obergrenze sind. Ihr müsst folgendes Bedenken: Die Mitglieder der Auswahlkommission sprechen an einem Wochenende mit i.d.R. 10 Bewerbern. Welchen Sympathiebonus ihr im Gespräch habt, wenn ihr 20 Seiten abliefert (Das gab es wirklich schon...), könnt ihr sicher selbst beantworten.
4. Es muss euch klar sein, dass ihr mit eurer Arbeit selber den roten Faden für das Auswahlseminar abgebt. Was ihr schreibt sollte keinesfalls übertrieben oder sogar erfunden sein (das Auswahlseminar bietet beste Chancen sowas sehr schnell aufzudecken). Daraus folgt erstens: Speichert eure Daten komplett ab, damit ihr auch im Detail wisst, was genau ihr geschrieben habt und was nicht. Zweitens: Nutzt die Möglichkeit intelligent aus, ihr könnt selber (wenigstens zum Teil) die Grundlage für eure Gespräche legen - das solltet ihr beim Schreiben beachten. Wenn ihr also schreibt, dass ihr euch für Physik interessiert, seit sicher, dass dazu ein oder zwei Fragen kommen werden.
Nach dem Absenden meiner Unterlagen bekam ich wenige Tage später eine kurze Info, dass meine Unterlagen eingegangen sind und damit begann dann das große Warten - der Juni neigte sich dem Ende zu und vier Monate tat sich gar nichts. Im Oktober 2009 schließlich kam die lang erwartete Nachricht per E-Mail: Die Einladung in ein Auswahlseminar für Ende November. Diese Wartedauer ist durchaus normal, bringt also etwas Geduld mit.
Die meisten, die von der Hochschule durch einen Professor vorgeschlagen werden, durchaufen ein vereinfachtes Durchwahlverfahren, bei dem der Bewerber nur zwei Gespräche mit Mitgliedern der Studienstiftung hat. Organisatorisch bedingt kann man aber einem Auswahlseminar zugeordnet werden, das ein Wochende dauert. Letzteres war bei mir der Fall.
Mein Seminar fand im ländlich (und durchaus sehr schönen) Ellwangen statt, dass etwa 90km von Stuttgart entfernt liegt. Da ich aus der Region Frankfurt komme, waren also durchaus drei Stunden Anfahrt mit Zug und Taxi drin. Das ist aber sicher schon sehr viel, denn grundsätzlich bemüht sich die Studienstiftung die Seminare nahe dem Wohnort der Bewerber abzuhalten. Wir waren ca. 50 Leute, was eine normale Gruppengröße für die Seminare ist, wie ich öfters gelesen habe. Die Anreise war am Samstag vormittag und nachdem die Zimmer bezogen wurden, gab es eine kurze Begrüßung und anschließendes Mittagessen. Während die Kosten der Anreise selbst zu tragen sind, wird Unterkunft während des Seminar und Verpflegung von der Studienstiftung gesponsert. Im Foyer hing für alle ein Plan aus, der den persönlichen Seminarablauf aufzeigt. Dieser besteht aus:
1. Einem fachnahen Gespräch
2. Einem fachfremden Gespräch
3. 5 Teilnahmen in einer Gruppendiskussion mit Vortrag, wovon ein Vortrag selbst zu halten ist
Die Gesprächspartner in den Einzelgesprächen sind oftmals Professoren von anderen Hochschulen, das ist aber keinesfalls immer so. Grundsätzlich sind aber eure Gesprächspartner selbst ehemalige Stipendiaten der Studienstiftung, die die Auswahlseminare in ihrer Freizeit organisieren - was durchaus Wertschätzung verdient.
Jeder Teilnehmer erhielt eine Nummer anhand der er an einer Tabelle ablesen konnte, wann er dran war und zu welchem Mitglied der Auswahlkommission er zu gehen hatte. Die Einzelgespräche gingen im Schnitt ca. 45 Minuten, die jeweiligen Gruppendiskussionen waren immer ca. 30 Minuten lang - 10 Minuten Vortrag und 20 Minuten Diskussion. Es bleibt also an diesem Wochenende auch sehr viel Zeit, um die anderen Teilnehmer kennen zu lernen. Die ersten Gespräche und Gruppendiskussionen fingen kurz nach dem Mittagessen an. Ich hatte zuerst mein "fachfremdes" Einzelgespräch.
Mein Interviewer war selbst Doktorand und gehörte damit zu den jüngeren Mitgliedern der Auswahlkommission. Das Gespräch begann direkt sehr locker, was mir durchaus half, ein paar Hemmschwellen abzubauen. Wir unterhielten uns ganz allgemein zunächst etwas über meine Hobbys und im Prinzip merkte ich schnell, dass das Gespräch in der Tat von einem großen Interesse an meiner Person gekennzeichnet war. Viele Fragen knüpften stets an dem an, was ich über mich erzählte, was mir Gelegenheit gab, tiefer auf meine Interessengebiete und Neigungen einzugehen. Kernthemen waren mein Interesse an der Physik und der Astronomie. Eine wesentliche Frage war vor allem, warum ich überhaupt BWL studierte, obwohl ich an diesem Bereich so interessiert bin. Ich erklärte hierzu schlüssig meine Beweggründe, aber auch die Entwicklungen in meinem Leben, die es sinnvoll machten, zunächst eine Ausbildung und dann ein BWL-Studium zu absolvieren (Ich habe schon mit 21 geheiratet, es war daher sinnig, erstmal etwas Geld zu verdienen...). In meinem Fall habe ich sowohl am Finanzwesen als auch an einigen Naturwissenschaften sehr großes Interesse - und wie es im Leben ist, so muss man sich irgendwann einmal entscheiden. Das weitere Gespräch führte über meine Berufswahl kurz auf die aktuelle Finanzkrise und dann weiter zu meinem Lebenslauf. Im Prinzip dominierte dann mein Lebensweg zu sicher gut 80% das ganze weitere Gespräch. Dies lag mitunter aber auch daran, dass ich vor meiner Zeit als angehender Bankkaufmann und der Heirat meiner Frau recht turbulente Jahre durch ein nicht ganz einfaches Familienumfeld hatte. Zudem komme ich aus sehr einfachen Verhältnissen womit ich nicht unbedingt der "typische" Student einer Privat-Uni bin.
Zum Ende hin, als ich sehr viel erzählt hatte, habe ich auch die Gelegenheit genutzt, meinen Interviewer selbst ein paar Sachen zu fragen, da er sich einem sehr interessanten Thema in seiner Doktorarbeit widmete. In jedem Fall wurde das Gespräch nicht langweilig und ich persönlich empfand es auch überhaupt nicht als ein "Bewerbungsgespräch". Ich denke, die Interviews haben viele Facetten und an irgendwas wird jeder Bewerber auch gemessen, für mich persönlich war es aber ein lockeres, offenes Gespräch, dass ich ähnlich in dieser Form auch mit jemandem anders hätte führen können. Schließlich stellte er mir noch ein paar Fragen zu meinem Engagement an der Universität wie meine Mitarbeit an einer studentischen Wirtschaftskonferenz und meiner Aktivität im Debatierclub unserer Hochschule. Damit waren wir dann aber auch am Ende bzw. hatten sogar schon etwas überzogen.
Damit war mein erstes Gespräch abgeschlossen und ich hatte schonmal wenigstens ein entspanntes Gefühl. Mir war aber auch direkt klar, dass ich überhaupt keine Meinung dazu entwickeln konnte in punkto "Schaut gut aus für mich oder nicht" - das geht einfach nicht. Jeder, der schonmal ein Bewerbungsgespräch bei einem Unternehmen durchlaufen hat, weiß in etwa, woran er gemessen wird. Hier war mir gar keine Einschätzung möglich. Dieses lockere und sehr offene Gespräch machte es faktisch unmöglich auch nur in etwa zu eruieren, anhand welcher Faktoren ich hier bewertet wurde. Und ich hörte schnell, dass es allen anderen auch so ging, niemand konnte sich ausmalen, was Grundlage seiner Bewertung war. Und was ich noch viel stärker feststellte, die Gespräche von jedem waren extrem unterschiedlich. Einige hatten zuerst ihr fachnahes Gespräch und die Erfahrungen hätten unterschiedlicher nicht sein können: Einer wurde im Gespräch aufgefordert konkret ein mathematisches Problem oder einen Rechtsfall zu lösen, bei anderen dagegen ging es nur kurz um das Studium und dann viel mehr darum, was man später beruflich oder wissenschaftlich tun möchte. Die Palette an Erfahrungen war groß und heterogen bei allen. Das bestärkt nochmals meine Aussage, dass es unmöglich ist, zu ermitteln, anhand welcher Faktoren man bewertet wird - und noch viel wichtiger, es ist unmöglich sich auf das Auswahlseminar gezielt vorzubereiten, es geht einfach nicht, da die Gespräche völlig individuell geführt werden.
Kommen wir zu einem Punkt, auf den man sich dann doch vorbereiten kann, bzw. sogar muss. Die Gruppendiskussion. Ich war direkt in der zweiten Runde mit meinem Vortrag dran. Der Vortrag ist von jedem Seminarteilnehmer Zuhause vorzubeiten. Worüber man vorträgt, ist ganz die eigene Entscheidung. Man kann etwas in punkto Hobby oder Studium nehmen oder auch ganz was anderes. Das Thema sollte aber schon eine gewisse Nähe zur eigenen Person, d.h. euren Interessen haben. Ich wollte erst über ein gesellschaftliches Thema, nämlich die immer schneller werdende technologische Entwicklung und die damit verbundenen Folgen für die Gesellschaft vortragen. Ich habe es dann aber doch sein gelassen, denn wie gesagt, ihr habt nur 10 Minuten Zeit. Also habe ich die Bankenkrise als zweiten Ideenentwurf herangezogen und mir hierzu etwas gescheites überlegt. Am Ende kam mir die Idee, über die aktuellen Lösungsmöglichkeiten von Politik und Wirtschaft zu sprechen - und dann zu erklären, warum diese allesamt falsch sind.
Abgesehen davon, dass ich tatsächlich der Ansicht bin, dass viele Maßnahmen die in der Finanzkrise ab 2007 vorgeschlagen wurden, einfach untauglich sind, war es mir wichtig, ein Thema zu nehmen, das etwas unkonventiell ist und einen interessanten Diskussionsansatz liefert. Tatsache ist, dass das Thema Bankenkrise im November 2009 völlig ausgeleiert war, das habe ich auch schnell daran gemerkt, dass vier oder fünf andere Teilnehmer auch dieses Thema hatten. Mein Ansatz, alle Lösungsvorschläge für falsch zu bewerten und dafür eine progressive Steuer auf Bankerträge einzuführen, um das Eingehen von Risiken für die Gesamtbank unlukrativ zu machen, brachte dagegen etwas frischen Wind in die Diskussionen. Ich kam glücklicherweise gerade so mit meiner Zeit hin - dies gelang mir faktisch nur, weil ich den Vortrag daheim dreimal mit meiner Frau geübt und angepasst hatte. Seinen Vortrag mit der Uhr in der Hand üben sollte jeder, damit ihr sicher seit, in der Zeit zu bleiben. Eine Überziehung von 10 Minuten wird euch wahrscheinlich als nicht unerheblicher Minuspunkt angerechnet. Dies ist aber auch logisch, denn die Gesamtdauer der Runde bleibt 30 Minuten, ihr nehmt also euren Teilnehmer Diskussionszeit weg, wenn ihr überzieht. Und wer 12 Minuten spricht, hat immerhin schon satte 20% überzogen!
Meine anschließende Diskussionsrunde hat dann leider nicht gereicht, um die ganzen 20 Minuten zu füllen, da wir nach 16 Minuten fertig waren. Das trug nicht unbedingt zu einem guten Gefühl bei mir bei, war aber nunmal so. Ich hoffte dafür, dass ich als Moderator des Gesprächs meine Sache nicht allzu schlecht gemacht hatte.
Ich hatte am ersten Tag dann noch drei andere Gespräche insgesamt, so dass für den Sonntag nur noch ein Interview und eine Gruppendiskussion blieben. Ich nutzte die Zeit und lernte die Leute vor Ort kennen. Was mir ganz besonders auffiel, war die Tatsache, dass ich als BWL'er schon ein kleiner Exot dort war, es gab noch drei andere die BWL studierten, also 4 von 50 Leuten. Dafür waren mehr als 20 Teilnehmer aus den Fachbereichen Physik und Mathematik vor Ort - manche waren sogar dabei, die ein Doppelstudium in beiden Teilgebieten absolvierten. "Engagiert" als Adjektiv wäre hier sicher untertrieben und ich bin mir sicher, dass bei diesen Seminar viele Teilnehmer waren, die leistungsmäßig noch einiges mehr konnten als ich. Davon ab waren aber fast alle sehr offen und ich konnte mich mit jedem gut unterhalten. Lediglich einmal hatte ich den Eindruck, dass einer aus der Physiker-Abteilung mich als angehenden Betriebswirt nicht so ganz ernst nahm. Gegen späten Nachmittag hatten sich dann kleine Gruppen gebildet, was natürlich auch maßgeblich damit zusammenhing, dass man für die Gruppendiskussionen auch eine feste Gruppe bildet, die in allen fünf Runden in dieser Zusammensetzung erhalten bleibt.
Die letzten beiden Gruppenrunden am Abend liefen für mich persönlich eher unbefriedend, ich fand meine eigene Aktivität in der Gruppendiskussion nicht allzu prickelnd, da ich den Eindruck hatte, zuwenig auf die anderen Teilnehmer einzugehen. Ich nahm mir vor, die Meinungen anderer stärker aufzugreifen, was auch halbwegs gelang. Dafür hatte ich den Eindruck, das letzte Gespräch des Abends dann durch eine Zusammenfassung unserer Meinungen irgendwie abgewürgt zu haben, weil plötzlich keiner mehr etwas hinzuzufügen hatte und das Mitglied der Auswahlkommission, das uns beobachtete auch zu dem Schluss kam, dass wir ein Ende gefunden hätte. Da wir noch ein paar Minuten übrig hatten, hinterließ das schon etwas bitteren Beigeschmack bei mir.
Am späten Nachmittag nach dem Ende der Gespräche des Tages gab es dann noch eine kleine freiwillige Informationsveranstaltung über die Studienstiftung des deutschen Volkes. Es macht durchaus Sinn, daran teilzunehmen, es wird aber auch niemand "Minuspunkte" eingetragen bekommen, falls er sich den Vortag nicht anhört. Insgesamt ging es darum, welchen ideelen Förderangebote es durch die Studienstiftung gibt, wie hoch das finanzielle Stipendium ist und woran es sich orientiert - und natürlich, wie festgemacht wird, ob jemand in die Studienstiftung aufgenommen wird. Dabei wurde der Auswahlprozess dahingehend transparent gemacht, dass erklärt wurde, wie das Bewertungsverfahren stattfindet und wie das gemeinsame Urteil der drei Gutachter ausfallen muss, damit es zur Aufnahme kommt. Hingegen gibt es keine Informationen über den Bewertungsmaßstab, d.h. anhand welcher Kriterien eine Beurteilung gefällt wird und es bekommt auch niemand der aufgenommen wird im Nachhinein eine Information, wie über ihn geurteilt wurde. Es wurde uns jedoch versichert, dass es keine "Quote" gibt. Das heißt, es gibt keine Regel, die besagt, die besten 30% werden genommen und das war es. Die Studienstiftung wird definitiv jeden aufnehmen der geeignet ist, und wenn nicht, wird es sicher klare Gründe gegeben haben. Wenn 50 Leute im Seminar einfach super gut abschneiden, dann werden auch 50 Leute genommen. Im anderen Extrem wird vielleicht einer von 50 genommen, wenn alle anderen einfach nicht zur Studienstiftung gepasst haben.
Am Abend nach dem Essen schließlich ging es aber deutlich entspannter und lockerer zu. Wir waren in Ellwangen in den Räumlichkeiten eines älteren Gebäudes untergebracht, dass unten einen eigenen kleinen Bierkeller zum feiern hatte. In angenehmer rustikaler Atmosphäre konnte ich so bei dem ein oder anderen Bier die anderen Teilnehmer näher kennen lernen. Ich muss bis heute festhalten, dass ich niemals so einen interessanten, offenen und vielseitigen Austausch mit anderen Menschen erlebt habe. Ich denke, die Teilnehmer am Auswahlseminar zeichnete in jedem Fall ein hohes Maß an Persönlichkeit und vielseitigem Interesse aus, denn ich habe dort viele interessante Diskussionen über alle möglichen Themen erlebt, die mir irgendwie in meinem persönlichen Alltag leider gar nicht unterkommen. Auf jeden Fall hatte ich meinen Spaß und zu diesem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass sich die Reisekosten im Fall der Ablehnung trotzdem gelohnt hatten. Nach drei Bier und zwei Gläsern Rotwein war ich dann gegen kurz vor 23 Uhr auch der Ansicht, langsam das Bett aufzusuchen, um fit zu sein. Frühstück stand bereits für 07:30 Uhr an, da um Viertel nach acht die ersten Gespräche losgingen. Ich war an dem Morgen direkt als erstes dran und wollte natürlich fit sein.
Mein "fachnahes" Mitglied der Auswahlkommission war ein Professor für Betriebswirtschaftslehre an der German Graduate School of Management & Law in Heilbronn. Dieses Gespräch war auf seine Art auch wieder ganz anders. Mein Interviewer stellte sich selbst kurz vor und bat mich dann, kurz zu umreißen, was ich die letzten Jahre getan habe. Darauf aufbauend gingen wir dann recht schnell zu meinem Lebenslauf über und erneut erklärte ich, warum ich Betriebswirtschaftslehre statt Astrophysik studiere. Mein familiärer Background blieb dabei erstmal außen vor und es ging tatsächlich erstmal um meine fachliche Motivation. Allerdings kamen wir dann nach einigen Minuten recht schnell wieder auf mein Hobby Astronomie und Physik zurück. Bei der Gelegenheit konnte ich ein wenig über meine Interessensgebiete erzählen und wir kamen auf das Buch "Das Universum in der Nussschale" von Stephen Hawking zu sprechen, von dem ich erwähnte, dass ich es vor kurzem gelesen hatte. Ganz unverhofft kam dann dabei auch die Frage auf: "Erklären Sie mir mal die String-Theorie". Natürlich kann ich das Thema nicht wie ein reinrassiger Physiker erklären, erzählte aber, was ich darüber wusste und warum mich das Thema so sehr interessierte.
Gegen Ende des Gesprächs kamen wir dann darauf zurück, wie es überhaupt bis zum Studium geschafft hatte. Mein Interviewer hatte sich in jedem Fall recht genau mit meinem Lebenslauf beschäftigt und lenkte das Gespräch in diese Richtung, als er erzählte, dass bei vielen Teilnehmern der Auswahlseminare die Eltern selbst meist Akademiker sind und das Abitur eigentlich genauso wie das Studium in punkto Werdegang von Anfang an fest steht - und dass dies bei mir nun nicht unbedingt der Fall war. Darauf folgte also die Frage, welche Hürden ich in meinem Leben zu nehmen hatte. Ich begann darüber zu erzählen, wie ich mich die letzten Jahre durch die ein oder andere ungünstige Situation durchgekämpft hatte und warum eigentlich genau meine Herkunft der Grund ist, warum ich unbedingt studieren wollte - eben weil ich in meiner Familie etwas grundlegend zum Besseren verändern will. Hier musste ich insgesamt schauen, dass ich nicht zu sehr ausschweifte.
Dennoch, noch viel schneller als in meinem ersten Gespräch ging die Zeit zu Ende und damit war das fachnahe Gespräch, was faktisch für mich kaum Bezug zu meinem Studium hatte (wir hatten uns alles in allem einmal 5 Minuten über George Sorros und seine "Bezwingung" der Notenbank von England unterhalten, das war es faktisch aber auch schon an klaren Wirtschaftsthemen), zu Ende. Ich denke, 90% der Zeit haben wir über mich und meinen Werdegang gesprochen. Fragen wie: "Erklären Sie mir mal bitte das Capital Asset Pricing Modell" oder "Was ist ein Value-at-Risk Modell?" kamen überhaupt nicht dran. Wie ich schon sagte, diese Gespräche verlaufen völlig unterschiedlich. Manch einer hatte auch solche "lockeren" fachnahen Gespräche während andere auf den heißen Stuhl gesetzt wurden. Jedem sollte aber klar sein, dass "lockere" Gespräche deshalb nicht einfacher sind oder die Chancen auf Aufnahme erhöhen. Ich bin der Überzeugung, jemand der souverän damit umgeht, einmal etwas nicht zu wissen (was völlig normal ist!) zeigt vielmehr persönliche Stärke als jemand der die "Lockerheit" eines offenen Gespräches nur benutzt, um unstrukturiert und zusammenhanglos zu erzählen. Letzteres sehe ich als große Gefahr bei solchen offenen Interviews an.
Das letzte Gruppengespräch folgte vor dem Mittagessen und zum Sonntag Mittag war das Seminar dann auch vorbei. Auf dem Heimweg im Zug unterhielt ich mich mit einigen Teilnehmern noch viel über das Seminar. Egal wie locker man es betrachten will, einer gewisse Spannung bleibt doch. Wo sich aber jeder sicher war, war dass das Wochenende in jedem Fall ein Erlebnis war, dass die Anreise wert war.
Etwa bis zu 10 Tage dauert es üblicherweise, bis man eine Antwort von der Studienstiftung erhält. Die nächsten Tage waren daher also mit großer Spannung beim Öffnen des Briefkastens versehen. Das gilt umso mehr, als dass sich schnell herumgesprochen hatte, dass es von der Studienstiftung einen großen oder einen kleinen Brief gibt. Der große Enthält die Anmeldeunterlagen, die Unterlagen für die Beantragung des Stipendiums sowie Informationsmaterial über die Studienstiftung. Der kleine dagegen ist die Absage, jedoch mit den deutlichen Worten, dass man es als Ehre auffassen sollte, für die Studienstiftung vorgeschlagen zu werden - das sehe ich in jedem Fall genauso. Auch wer abgelehnt wird, hat gezeigt, dass er viel kann und sicher seinen Weg erfolgreich gehen wird, sonst wäre nicht auf dem Auswahlseminar dabei gewesen, das sollte man stets im Hinterkopf haben.
Schließlich erhielt ich meine Nachricht bereits am Freitag der beginnenden Woche, also sehr schnell. Und obwohl ich am Ende tatsächlich kaum damit gerechnet hatte, war es doch der große Umschlag. Ich versuche in dem Zusammenhang nicht den Vorteil des Stipendiums zu sehen, sondern ich will diese Entscheidung der Studienstiftung vor allem als eine Auszeichnung für meine Werte und Prinzipien sehen, für die ich selber stehe. Ich denke, das ist sehr viel wichtiger als in einem Stipendium nur eine Institution zu sehen, die jemanden mit etwas Büchergeld jeden Monat fördert.
Aber umso wichtiger ist es mir an der Stelle auch nochmal zu sagen, dass die Annahme oder die Ablehnung keine bipolare Entscheidung mit dem Charakter "Du bist gut und Du bist schlecht" ist. Fast jeder meiner Mitstreiter auf dem Seminar hat mich beeindruckt durch verschiedene Fähigkeiten und Interessen und für mich steht es außer Frage, dass jeder von ihnen es auf seine Art weit bringen wird. Die Entscheidung der Studienstiftung ist eine Momentaufnahme und daher kann es gut sein, dass ein anderes Hochbegabtenwerk einen abgelehnten StuSti-Bewerber mit größter Freude nehmen wird.
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Erfahrungsbericht von Florian P. Meyer
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- London Business School
- Masters in Finance
- Stipendiat der Studienstiftung seit 2009
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