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Erfahrungsbericht zum Auslandssemester in Russland an der Universität Tomsk
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Das 5. Fachsemester meines Studienganges Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Dresden, wird obligatorisch im Ausland verbracht. Während meine Kommilitonen in allen Zeitzonen dieser Welt verteilt sind, hat es mich für ein Semester nach Tomsk verschlagen. Bewusst bin ich nicht nach Moskau oder Sankt Petersburg gegangen, da ich immer noch die Meinung vertrete, Land, Leute und Sprache an diesen Orten nicht so intensiv kennen- und lieben lernen zu können, wie abseits des internationalen Trubels. Am 1 September 2012 begannen deshalb sehr interessante, bereichernde und Augenöffnende Monate in der Studentenstadt Tomsk, abseits von gewohnten europäischem Standard und überholten Stereotypen.

   Das Rundum Sorgenlos Programm

Das Auslandssemester ist mir durch ein Stipendium der Europäischen Kommission ermöglicht worden. Das Zauberwort: Erasmus Mundus. Die Leistungen in Höhe von 1000 Euro monatlich und die komplette Übernahme von Flug-, Visa- und Versicherungskosten setzen zumindest finanziell keine Grenzen. Das Programm, welches 2013 als Probephase auszulaufen droht, setzt die Bewerbungsfrist mit unzähligen Dokumenten immer für den Dezember des Vorjahres an und soweit ich unterrichtet bin, entsendet es Studierende in alle BRIICS Staaten (Brasilien, Russland, Indien, Indonesien, China und Südafrika). Voraussetzung ist jedoch, dass man mehr als 20 ECTS erbringt und diese auch in dem eigenen Studium anrechenbar sind.

Da dies bei meinem Studiengang so oder so vorgeschrieben ist, hat mir dieses die wenigsten Probleme bereitet. Doch obwohl ich in Deutschland bereits Kurse und mehrere Learning Agreements ausgefüllte, habe ich in Tomsk einen leeren Studentenplan vorgefunden. Im Endeffekt war dies jedoch weniger schlimm, da ich so wie so nur Kurse auf Russisch und daher mit russischen StudentInnen belegen wollte, weshalb die ersten Studienwochen nur dafür verwendet werden mussten, Vorlesung zu Vorlesung zu rennen, die besten auszusuchen und mit den Professoren mögliche Prüfungsleistungen auszuhandeln.

   Niedrige Lehrqualität der Ausländerkurse auf Englisch

Bei all den Problemen bin ich dankbar, dass mir die TPU (Tomsker Polytechnische Universität) für russische Verhältnisse nur sehr geringe bürokratische Barrieren auferlegt hat. Kommilitonen, die in Irkutsk und Stavropol mit dem gleichen Programm einen Studienaufenthalt durchführten, hatten weitaus größere Probleme mögliche Kurse mit aussagekräftigen Beschreibungen ausfindig zu machen. Auch, dass die meisten Vorlesungen mit Power Point Präsentationen unterstützt worden sind, hat das Sprachproblem ein wenig verkleinert. Die meisten anderen europäischen Ausländer vor Ort, haben jedoch Kurse auf Englisch und speziell für Ausländer gewählt, weshalb in diesen „Privatvorlesungen“ ein Professoren-Studierenden Traumverhältnis von 1 zu 2 vorherrschte, das Lehrniveau aber, auf Grund von Sprachproblemen des Lehrenden selbst und eher geringer Begeisterung beider Seiten, eher tief angesiedelt war. Es herrscht demnach eine deutliche Diskrepanz der Lehrqualität zwischen Kursen für reguläre russische Studierende und solchen, die nur für Ausländer vorgesehen wurden, vor. Dies führte unter den Austauschstudierenden zu der generellen Schlussfolgerung, dass Ausbildung in Russland/Tomsk irgendwo zwischen „schlecht bis super schlecht“ rangieren würde. Ohne Frage steht es dem deutschen in Vielem nach, besitzt jedoch auch einige Stärken. So werden Grundprinzipien eines guten Vortrages von russischen Studierenden zwar nur selten eingehalten (und meistens der Text zusätzlich auch noch aus Wikipedia abgeschrieben), das Spicken nicht so unmöglich gemacht, wie in Deutschland (Ohrhörer bei mündlichen Prüfungen sind ein weitverbreitetes Mittel) und Ökonomie Studenten wussten nicht, dass auch Deutschland den Euro als Währung besitzt. Doch haben ich entgegen dem Stereotyp engagierte Lehrende getroffen, kein einziges Mal offene Korruption erfahren, auch bei Nachfrage bei russischen Studierenden haben diese mir bestätigt, dass Tomsk für rigorose Bestrafung bestechlicher Lehrkörper bekannt sei, und in mehreren Vorlesungen kam es vor, dass wir alle zwei Wochen eine kleine Klausur über den behandelten Stoff bestehen mussten. Zudem haben sich alle die Mühe gemacht, mir bei Fragen zur Seite zu stehen oder Themengebiete zu erklären.

   Betreuung der Studierenden durch Professoren: Sehr gut

Eine Lehrerin hielt sogar speziell für eine Handvoll AusländerInnen (fast alle aus Vietnam) ihres Kurses vorlesungsbegleitende Praktika ab, in denen wir separat geprüft worden sind. Darüber hinaus wurden Feste zu allen möglichen Nationalfeiertagen, Gedichtswettbewerbe, eine Schönheitswahl und Kulturvorstellungen organisiert, so dass man auch als Ausländer voll in die russische Kultur eintauchen hat können und von einer für Deutschland untypischen Euphorie begeistert worden ist.

   Das 30 Euro Wohnheim

Anfangs wurde ich, wie alle Ausländer aus Europa, in einem hotelähnlichen Wohnheim untergebracht: Putzfrau, Fahrstuhl, nette Wachtmeister, hohe Mieten. Doch da ich meine Vorstellung des Semesters in Russland verwirklichen wollte, zog ich nach einem Monat und einigem bürokratischen Aufwand, in ein traditionelles Wohnheim nur für Russen. Ein Duschkomplex für das ganze Gebäude, welches nur von 15 bis 23 Uhr arbeitet und montags Pause macht, ein Klo für die Etage und jede zwei Wochen Konzert mit darauffolgender „Russendisco“. Zusätzliche nächtliche Erstsemester Einweihungen und ein Punktesystem für gutes Benehmen und Engagement innerhalb des Wohnheimes rundeten diese Erfahrung ab, und haben mich diese Entscheidung keine Sekunde bereuen lassen.

   Kletterklubs, Vegetarier und Regimekritiker

Sollte es einem dann doch einmal langweilig werden, so hält die TPU ein breites Angebot an Sport und Freizeitveranstaltungen bereit. So gibt es sogenannte „Alpine Kletterklubs“ die bei Temperaturen bis zu minus 20 Grad die atemberaubende Natur um Tomsk, Lagerfeuer machend und russische Lieder trällernd, erkunden gehen. Interessanter Weise habe ich auch Bekanntschaft mit so manchen Vegetariern gemacht, was bei dem unglaublich großem Fleischkonsum in Russland und Unabdingbarkeit des selbigen, eine Seltenheit darstellt. Dass Tomsk 4 eine sehr junge Stadt ist (sie besitzt 6 Universitäten), führt dazu, dass sowohl kritische Veranstaltungen hinsichtlich des politischen Systems abgehalten werden, als auch Filme über Homosexualität gezeigt werden. Dabei bietet die eher kleine und ruhige Stadt mit ihren 500 Einwohnern alles, was man braucht – klassische, wie moderne Theater, Parks, Schwimmbäder und traditionelle Märkte, als auch eine kleine Improvisationstheatergruppe, die glücklich über alle offenen jungen Menschen ist. Das große Universitätsangebot, als auch die Tatsache, dass die TPU als die beste polytechnische Universität in Russland angesehen wird, lockt viele ausländische Studierende in die kleine Stadt im tiefen Sibirien. Zwar gibt es kein deutsches Generalkonsulat (das nächste liegt in Novosibirsk, ungefähr 300 km weiter südlich), dafür jedoch ein deutsch-russisches Haus und ein Goethe Institut. Letzteres bietet Halbzeit-Praktikumsplätze der Sprachassistenz an, die ich selber in Anspruch genommen habe und deshalb empfehlen kann. Da gerade im Wintersemester die deutsche und russische Studienorganisation gut zusammenpasst (die letzten Prüfungen sind in Russland meistens schon Ende Dezember, manchmal auch Anfang Januar angesiedelt), gab es relativ viele Europäer in Tomsk, die zwar gut Anschluss gefunden haben, viel jedoch auch unter sich sein konnten/mussten/wollten.

   Erasmus Blase

So viele Nachteile wie dadurch aufkommen, zu so manchem Vorteil führt dieses jedoch auch. So sorgte die Uni von Anfang an dafür, dass ein „Buddy-System“, bei welchem jedem Ausländischem ein russischer Studierender zugeteilt worden ist, die Ankunft und das Zurechtfinden in Tomsk erleichterte. Des Weiteren hatten wir feste Ansprechpartner, die bei allen Belangen hilfreich zur Seite standen, und zu guter Letzt sogar finanzielle Unterstützung der TPU bei der Realisation eines kleinen Filmprojektes über das Leben ausländischer Studierender in Tomsk (Zu finden bei Youtube.com unter A Sibirian Story), welches wir zusammen aufgenommen haben.

   Semester in Tomsk: nur zu empfehlen

Abschließend möchte ich alle Russlandinteressierten dazu ermuntern, sich gegen den allgemeinen Trend nach Moskau oder St. Petersburg zu gehen durchzusetzen, und ein kleines Abenteuer zu wagen. Es lohnt sich! Nicht nur die Sprache lernt man so besser, sondern auch Menschen, Kultur und Lebensweise. Dabei muss ich jedoch hinzufügen, dass Russland auf Grund seiner Größe bei weitem nicht homogen ist, weshalb der Ort des Studienaufenthaltes bedacht gewählt sein mag. Tomsk und mit ihr die Polytechnische Universität bietet diesbezüglich jedoch so manch einen Vorteil und hilft nicht nur außeruniversitär den Horizont zu erweitern, sondern auch innerhalb des täglichen Unibetriebes seinen Platz schnell zu finden, dabei gut betreut zu werden, und durch das eingeführte ECTS System eine leichte Handhabe bei der Anrechenbarkeit der Studienleistungen zu gewähren. Trotz Erasmus Blase, der man, wenn man es nur will, sehr leicht entkommt, kann ich deshalb einen Studienaufenthalt an der TPU allen offenen und aufgeschlossenen Studierenden nur ans Herz legen.
Erfahrungsbericht von "Anonym"

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